Tacit Knowledge
Definition: Wissen, das wir besitzen, aber nicht explizit artikulieren können - nach Michael Polanyi "We know more than we can tell".
Charakteristika: Tacit Knowledge ist unbewusst und implizit, schwer oder gar nicht verbalisierbar und wird durch Erfahrung und Übung erworben. Es ist oft verkörpert und situationsgebunden und bildet die Grundlage für Intuition und Expertise.
Beispiele: Gesichtserkennung zeigt tacit knowledge - wir erkennen Gesichter, können aber nicht erklären wie. Ebenso beim Fahrradfahren mit Balance und Koordination, beim Mutterspracherwerb mit dem Grammatikgefühl, bei medizinischer Diagnostik mit dem klinischen Blick oder bei künstlerischen Fertigkeiten.
Dimensionen nach Polanyi: Polanyi unterscheidet vier Dimensionen: die funktionale Dimension mit der Von-zu-Struktur des Bewusstseins, die phänomenale Dimension der qualitativen Erfahrung, die semantische Dimension der Bedeutungszusammenhänge und die ontologische Dimension des Seinsverständnisses.
Epistemologische Bedeutung: Tacit Knowledge bildet das Fundament allen expliziten Wissens, ist nicht reduzierbar auf propositionales Wissen und stellt die Quelle von Innovation und Kreativität dar. Es ist die Basis für Urteilskraft und Expertise.
Probleme der Anerkennung: Stillschweigendes Wissen ist schwer zu validieren durch übliche wissenschaftliche Methoden und gilt oft als "unwissenschaftlich". Es kann nicht systematisch gelehrt werden, seine Übertragung erfolgt nur durch Mentoring und Modelling.
Relevanz für dezentrale Wissensproduktion: Tacit Knowledge legitimiert erfahrungsbasierte Erkenntnis, zeigt die Grenzen rein propositionaler Ansätze auf und rechtfertigt das Vertrauen in Intuition und Gespür.